Bisherige Anwendung, Erfahrungen, internationale Forschungsaktivitäten
In der März-Ausgabe von Microbiology Australia geben Jean-Paul Pirnay, Daniel De Vos und Gilbert Verbeken, drei bekannte belgische Phagenexperten des Queen Astrid Military Hospital in Brüssel, einen Überblick über begonnene und abgeschlossene klinische Anwendungen von Bakteriophagen und die Entwicklung in Europa. Sie zeigen den exponentiellen Anstieg der Publikationszahlen bei der Stichwortsuche „Phagentherapie“ und eine Liste von zehn randomisierten, kontrollierten klinischen Studien, darunter das abgeschlossene europäische Projekt Phagoburn, ein „multi-centre trial“ unter Beteiligung mehrerer Kliniken in Belgien, Frankreich und der Schweiz. Im Journal Antibiotics 7 (April 2018) wird ein detaillierter internationaler Überblick von Wilbert Sybesma (Universitätsklinik Balgrist, Zürich) et al. dargestellt. Zusammengefasst sind die Phagenanwendungs-Studien unter:
In Deutschland begann im September 2017 Phage4Cure (phage4cure.de/de/), finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dieses deutsche Pilotprojekt zielt nach Abschluss des finanzierten 3-Jahreszeitraums, der Phase I einschließt, die Erprobung am gesunden Probanden, auf inhalative Verabreichung einer gereinigten Phagenmischung gegen Pseudomonas aeruginosa bei CF- bzw. Non-CF Bronchiektase-Patienten (CF = Cystische Fibrose) in einer systematischen klinischen Studie in einem „single-centre trial“. Das Projekt soll Sicherheit und Effizienz der Phagenpräparate beweisen. Die klinische Studie wird an der Charité-Universitätsmedizin Berlin, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie und der Charité Research Organisation GmbH, Berlin durchgeführt. Durch Phage4Cure wird am Fraunhofer Institut für Experimentelle Medizin (ITEM, Braunschweig) erstmals in Deutschland eine Plattform zur Aufreinigung von Phagen als antiinfektive pharmazeutische Wirkstoffe mit einem Reinigungs-Prozess nach GMP-Richtlinien (GMP = Good Manufacturing Practice) entwickelt, sodass weitere künftige Projekte von den Erfahrungen profitieren.
Unabdingbar ist eine hohe Qualität solcher Phagenpräparate, die in der Humanmedizin zum Einsatz kommen sollen, was neben spezieller Expertise der beteiligten Wissenschaftler durch GMP-Prozesse mit entsprechender Dokumentation gewährleistet werden kann. Ansprüche werden aber immer auch an die biologischen Fähigkeiten der einzelnen ausgewählten Phagen gestellt, die für eine nachhaltige und breite Anwendung bei möglichst vielen Patienten hergestellt werden sollen. Daher ist die Auswahl geeigneter Phagen an viele mikrobiologische Laborexperimente und einschlägige Erfahrung gebunden, der Effekt von Phagen ist ein komplexes biologisches Wirksystem von Phage und Bakterienzelle und unterliegt individuellen Kinetiken. Alle solche in vitro („im Reagenzglas“)-Experimente sind Vorbedingung und können nur zu einem gewissen Teil extrapoliert werden und Voraussagen für die in vivo („im Lebewesen“/Patient)-Erfolge treffen. Da sich Phagentherapie aber nicht nur über ca. 100 Jahre im Osten in Einzelfalltherapien bewährt hat sondern mittlerweile auch etliche klinische Studien (s.o.) sowie Einzelfalltherapien nach westlichem Standard Sicherheit und Effizienz von Phagenpräparaten zeigen, kann mittlerweile von umfangreicher internationaler Expertise ausgegangen werden, eine Basis für die Vorbereitung eines Modellzulassungsweges für Phagenpräparate im Westen.